Hebamme wird Totschlag vorgeworfen
Seit dem 27.8.2012 muss sich eine Hebamme und Ärztin vor dem Landgericht in Dortmund wegen des Vorwurfs des Totschlags verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr als Hebamme vor, trotz Anzeichen von Komplikationen zugunsten einer natürlichen Geburt und aus ideologischen Gründen auf eine Verlegung in die Klinik verzichtet und das Risiko eines toten Kindes bewusst in Kauf genommen zu haben. Wäre die Mutter nachmittags um vier Uhr in eine Klinik verlegt worden, hätte das Kind per Sectio gerettet werden können.
Die Beschuldigte streitet den Tatvorwurf in vollem Umfang ab – wie es in der Juristensprache heißt. Sie ließ durch ihre Verteidiger eine Stellungnahme verlesen, in der es hieß sie habe Erfahrungen mit über 100 spontanen BEL-Geburten und diese auch außerklinisch sachgerecht durchgeführt. Das Kind sei an einem plötzlichen intrauterinen Kindstod gestorben.
Ein deutsches Ehepaar, das in Lettland lebt, hatte nach der Diagnose Beckenendlage in Deutschland nach einer Möglichkeit gesucht, das Kind spontan zu gebären. Nach einem Umweg über eine Klinik in der spontane BEL-Geburten angeboten werden, in der sich das Paar jedoch nicht gut aufgehoben fühlte, kam es in Kontakt mit der Hebamme. Die werdenden Eltern hatten Vertrauen zu der Hebamme, die auch Ärztin ist und sowohl auf geburtshilfliche Erfahrung als auch auf zahlreiche Veröffentlichungen – auch zur BEL – verweisen konnte. Vereinbart wurde eine Geburt in der Hebammenpraxis.
Die Eltern mieteten sich rund vier Wochen vor der tatsächlichen Geburt in ein Hotel in der Nähe der Hebammenpraxis ein, dort setzte „ein Ziehen“ am frühen Morgen des 30.7.2008 ein, das im Laufe des Tages heftiger wurde. Die werdende Mutter schaffte es wegen plötzlich sehr heftiger Wehen nicht mehr in die Hebammenpraxis. So beschloss die Hebamme, die Geburt im Hotel zu begleiten. Kurz nach 22 Uhr wurde ein Mädchen mit Apgar 0 geboren. Die Hebamme hatte nach der Geburt den Notarzt hinzugezogen – der wiederum schaltete die Kriminalpolizei ein.
Die Staatsanwaltschaft kündigte auch an, dass sie ein Berufsverbot fordern werde.
Es sind fünf weitere Verhandlungstage angesetzt.
Bettina Salis, Prozessbeobachterin des DHV